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Schwätzer

gebunden
CHF28.00
2.6 % TVA incluse

Produit

Résumé'Ich habe ständig das Bedürfnis, nach dem Mond zu sehen.'Als Eddi eines Nachts vor Meikels Tür steht und Meteoriten suchen will, kann Meikel einfach nicht Nein sagen - und das, obwohl Eddi der größte Schwätzer ist. Doch ihre Reise, die sie durch die Ackerlandschaften Brandenburgs und durch heimgesuchte Szene-Clubs in Berlin führt, erscheint ihnen immer mehr von einer geheimen Macht gesteuert - vom Kosmos vielleicht oder von der Zahnärztekammer. Eine tragisch-humorvolle Geschichte über das Weltall, Gespenster, Freundschaft und andere unerklärliche Fügungen.
Texte supplémentaire»Sven Pfizenmaier macht da weiter, wo er nach seinem ersten Banger-Roman aufgehört hat: magischer Realismus made in Berlin.«
RésuméDer neue Roman eines Shootingstars der deutschen Gegenwartsliteratur »Ich habe ständig das Bedürfnis, nach dem Mond zu sehen.«Als Meikel seinen Freund Eddi auf dessen bizarre Jagd nach Meteoriten im Berliner Umland begleitet, hat er eine böse Vorahnung: Es wäre nicht das erste Mal, dass Eddi mit seinem Geschwätz Meikels Leben aus den Angeln hebt. Dass dies erst der Anfang einer Kette von unvorhersehbaren Ereignissen ist, die die Grenzen zwischen ganzen Welten neu ausloten, hätte Meikel aber auch nicht gedacht. Auf seiner Reise kann er sich nie sicher sein, von wo die größte Gefahr ausgeht: seiner Drogensucht, den Gespenstern im ehemaligen Szene-Club oder doch von den profitgierigen Mitgliedern der Zahnärztekammer.Sven Pfizenmaiers Humor und seine genauen Beobachtungen schlagen so spektakulär und überraschend ein wie Meteoriten auf der Erde. Zusehends fragt man sich: Wer erzählt hier die Geschichte? Und wer ist tatsächlich der Schwätzer?
Détails
ISBN/GTIN978-3-0369-5039-6
Type de produitLivre
Éditeur
Pays de publicationSuisse
Année de parution2024
Date de parution16.08.2024
Edition1. Auflage
Pages288 pages
LangueAllemand
DimensionsLargeur 125 mm, Hauteur 190 mm, Épaisseur 25 mm
Poids320 g
Id-produit de l'éditeur290/05039
BZ n°46365788

Contenu/Critiques

Échantillon texte
1

Am Himmel über Neukölln sind die Sterne unsichtbar. Eine Kuppel aus Milch verschleiert den Glanz der Meteore, die auf dem Weg zu ihrem Ende hier vorübersegeln. Für die Straßen spielt der Weltraum keine Rolle, das Auge Galileo Galileis schiebt sich durch den Flaschenhals in den Schaum des Bieres. Jemand nimmt einen Schluck daraus, schaut zum Wettbüro. Dort steht ein Mann im Hemd und wischt sich die Tränen von der Wange. Hoch über ihm, im Dachgeschoss der Mall, werden Gespräche an der Hantelbank geführt. Ein Ratschlag für die Muskeln, vier Silben für das Herz. Der Zapfhahn spuckt Magnesium.

come on Baby, leg was zwischen die Tür

damit ich später noch zu dir kann

damit du

damit du nicht

damit du nicht weinst und dein Kissen schon ganz nass ist

weil du es nicht schaffst

zu sagen, du magst es nicht

wenn du abends ganz allein bist

Sie wollen zärtlich sein und halten sich die Hände, verängstigt von der Dunkelheit, die sich ihnen aus den Seitenstraßen entgegendrückt und in deren Schutz man hier Hakenkreuze an Schawarmaläden geschmiert und Scheiben von Baklavabäckereien eingeworfen hat, wo man Israelflaggen in Brand gesetzt und schwule Pärchen angespuckt hat, wo sich jetzt aktuell aber nichts befindet außer dem Konsum, zwei Süchtige fragen nach Kleingeld, ein paar andere stoßen ihre Weinschorlefläschchen aneinander, jemand raucht, jemand steigt ins Kokstaxi.

 

Die Bar an der Ecke wird von einem Mistkäfer betreten, seine Panzerung schimmert grünlich, als er an den Kickertischen vorbeigeht und sich auf den einzigen freien Hocker am Tresen setzt. Die Bedienung fragt nicht mehr nach, stellt ihm schweigend einen Dark´n Stormy vor die Fühler. Er schämt sich, weil er sich wieder einmal eingeredet hat, nur diesen einen Drink zu nehmen, und da musste er natürlich an The Lost Weekend denken, wo Ray Milland auch nur diesen einen Drink haben will und gesagt bekommt: »Won´t you ever learn, it´s like stepping off a roof and expecting to fall just one floor.« Und so fiel er, wortlos dem Durst ergeben, von einem Glas ins andere, bis er von der letzten Erkenntnis für diesen Abend in die Bewusstlosigkeit verabschiedet wird, der Erkenntnis, alles falsch gemacht zu haben. Auch für diese tropische Nacht hat man Unwetter angekündigt, und auch in dieser Nacht kommen sie nicht.

Glitch im Gesicht

doch fühlen tun wir einfach nichts

gib mir den Kick, und ich sage

das reicht noch nicht

Am Morgen die Hitze. Die Sonne, der Thron. Prahlerei. Am Straßenrand stehen runde, mit Wasser befüllte Boxen, in denen sich mal ein halbes Kilo Haribo befand. Jetzt entwachsen dem Plastik Eidechsen, sie tippeln über den Asphalt und verschwinden in Smogwolken. Der Mann, der am U-Bahn-Eingang Flyer verteilt, bekommt nicht mal ein »Nein danke« zu hören, wortlos gehen die Menschen an ihm vorbei, und wortlos hält er sie hin, die Ausrufungen von Schlussverkäufen, die Megadeals, die einmaligen Probierwochen und Limited Editions.

und die Sonne strahlt mich an

nicht rund, nicht gelb

und die Menschen weinen schnell

nicht in echt, und nur für Geld

und ich hab geträumt

in vier zu drei

Jemand brät sich ein Spiegelei auf der Motorhaube seines 5er BMWs, »Vorteil schwarzes Auto«, sagt er und schnipst seine Zigarette gegen einen pinkfarbenen Schwimmring mit Einhornkopf, der sich daraufhin in Abermillionen Teile zerstäubt und in der Kanalisation versickert. Ratten, Maden, Tauben. Flötenspieler drängen sich auf dem Bürgersteig, ihre schiefen Melodien brechen über Balkone in Schlafzimmer ein, hier hat es viel zu lange keinen Sex gegeben, lieblos liegen die Körper auf dem Boden, ihr Brusthaar entstellt in einer Flut von Sojasoße. Sektkorken, Ventilator, wabernder Asphalt. Niemand nass rasiert, stoppelige Gesichter und Rauschebart, Dönergeruch, niemand isst. Kippen, Bier, Schatten. Oben im Parkhaus bröckeln Schwäne aus dem Putz, rissige Narben, und fliegen dem Bordstein entgegen, wo es sich gut sitzen lässt, einfach nur das, sitzen. Augenringe. Jemand sagt: »Ich brauche Geld«, und jemand anderes hat keines. Als sie sich von ihren Träumen erzählen, riechen sie den Schweiß der anderen. Mitten im blauen wolkenlosen Himmel steckt der Vollmond wie ein Loch im Karton, durch das die Küken atmen können.

2

Meikel hatte noch nie ein gutes Verhältnis zu schönen Dingen gehabt. Wenn sie in sein Leben getreten waren, wollte er sie nicht mehr gehen lassen, unter keinen Umständen, er wollte mehr von ihnen, jeden Tag mehr, bis sie kaputtgingen oder ihn verließen oder seinen sicheren Tod bedeuteten, wenn er sie behielte. Er hatte auf diese Art Freundschaften geführt und Beziehungen, verschlingend, unstillbar hungrig nach gemeinsamer Zeit und Aufmerksamkeit, sensibel für jede Verletzung, die er zu erleiden glaubte, unsensibel für alles, was ihn nicht betraf. Die meisten empfanden ihn nach kurzer Zeit als lästig. »Du musst ein gesundes Mittelmaß finden«, sagte jemand, als Meikel wieder einmal schwor, von exakt diesem Moment an nie wieder Alkohol anzurühren und Drogen schon gar nicht, das sei vorbei, für immer. Der Ratschlag war nicht schlecht. Bloß verstand die Person nicht, dass das gesunde Mittelmaß in Meikels Welt ein irreales Konzept war. Es gab keinen Pfad in seinem Hirn, an dessen Ende Mäßigung stand. Er hat es ja probiert, sehr wohl wissend, dass dieses gesunde Mittelmaß, von dem alle sprachen, einige seiner übelsten Probleme hätte lösen können. Doch es ging nicht. Es gab nur alles oder nichts. Wenn Meikel etwas Tolles sah, dann wollte er daran verrecken. Als er sich dem jedoch ganz real näherte, dem Verrecken, wollte er es nicht mehr. Seitdem, so sagt er, ist er ein anderer Mensch geworden, und als dieser andere Mensch stand er eines Abends im August vor dem Kühlregal eines Supermarkts, wog zwei Becher in den Händen, links einen Schokopudding mit Vanilleflecken, rechts einen Vanillepudding mit Schokoflecken, und sagte: »Du verdammtes Stück Scheiße, entscheide dich.«

Er wiederholte diesen Satz minutenlang. Einige Menschen in Hörweite stellten ihre Einkäufe zurück, als hätten sie Angst, durch den Verzehr eines Fruchtjoghurts könnte seine Perversion zu ihrer werden. Andere, wenige, näherten sich ihm und berichteten, diesen oder jenen Pudding selbst einmal gegessen zu haben, und sprachen eine Empfehlung aus oder eine Warnung. Meikel ignorierte sie. Er vertiefte sich in die Produkte. Am Ende nahm er beide und hasste sich.

Es war nicht immer so schwer. An diesem Abend war es das, weil Meikel auf dem Weg zum Supermarkt im metallicblauen Lack eines halb auf dem Bürgersteig geparkten AMGs seine Reflexion gesehen hatte und erschrocken war. Er hatte nichts Schönes an dem Bild gefunden, das sich ihm bot, und noch weniger an dem, was nicht zu sehen war, aber von dessen Existenz er wusste, der blassen Haut, den hängenden Fettlappen. Rötungen, Krümmungen, aufgekratzte Pickel. Als er mir später von diesem Selbstbild erzählte, sagte ich ihm, dass ich ihn schön finde, aber davon wollte er nichts wissen, er war von seiner Hässlichkeit überzeugt und wollte nicht an sie erinnert werden, denn wenn er erinnert wurde, dann wollte er sich bestrafen. Mit einem Messer ins eigene Fleisch schneiden zum Beispiel oder sich Gift zuführen oder wenigstens eine Mahlzeit auskotzen, aber weil er das nicht mehr durfte, weil er leben wollte, gab er sich mit milden Strafen zufrieden, wie eben: Heute kaufst du dir nur ein einziges Dessert. Dass er selbst daran scheiterte, brachte ihn in Rage. Auf dem Weg zur Kasse murmelte er wüste Beschimpfungen vor sich hin. Als er dort ankam, hatte er bereits die Erfolge der vergangenen Jahre, die Entgiftung, die Therapien, die wiederaufgebauten Freundschaften, für entwertet erklärt. Es brauchte ein warmes, auf fast schon unheimliche Art verständnisvolles Lächeln des Kassierers, um ihn zu beruhigen. Ruiniert war der Abend trotzdem, und so hatte Meikel eigentlich geplant, ihn daheim im Ventilatorwind zu verbringen und die Angebote aller marktführenden Streaminganbieter miteinander zu vergleichen, während sich Erdnussflips in seinem Mund so lange mit Speichel vollsogen, bis sie sich am Gaumen zerdrücken und, ohne zu kauen, runterschlucken ließen, doch dann klingelte es an der Tür.

Er nahm den Hörer der Gegensprechanlage ab und fragte, wer da sei. »Ich bins«, hörte er Eddi sagen, ganz locker, als würde es sich bei seinem Erscheinen nicht um eine Anomalie im Weltengefüge handeln. Durch den Hörer prasselte das Blubbern einer Wasserpfeife auf Meikel ein. Er gab sich dem hin, sekundenlang, Massenhinrichtung und Artensterben, Knallfrösche auf einsamem Asphalt, ein Sturz aus der Jugend, Pfefferminztabak statt Zähneputzen, es waren leichtere Zeiten. »Lässt du mich rein?«, sagte Eddi irgendwann. Meikel drückte auf den Buzzer, vielleicht auch in der Hoffnung, sich verhört zu haben, öffnete die Tür und starrte ins Treppenhaus. Er hatte sich nicht verhört. In dieser ihm eigenen Mischung aus Müdigkeit und Enthusiasmus kam Eddi die Stufen raufgeschlendert, auf den ersten Blick unverändert, mit dem gewohnten drahtig-adrigem Körper und den kurz geschorenen Haaren. Genau wie früher trug er ein spruchbedrucktes T-Shirt. Dieses kannte Meikel nicht, es war ein schwarz-weiß gebatiktes Exemplar mit der Aufschrift:

NEVER

BAD

VIBES

Eddi grinste breit. Als er etwas näher an ihn herantrat, bemerkte Meikel dann die vielen kleinen, wunderschönen Veränderungen an seinem Körper: Seine Zähne waren vollständig und weniger gelb, seine Haut hatte an Farbe gewonnen, die einst radioaktiv pulsierenden Augenringe hatten sich auf faltige Narben runtergeheilt. Meikel musste lächeln.

»Du siehst gesund aus«, sagte er. »Du auch«, sagte Eddi, weiterhin grinsend und damit offensichtlich auf Meikels neue Rundungen anspielend, auf die Straffungen des T-Shirts um seinen Bauch und die kleinen Schatten unter der neu gewachsenen Fettbrust. Da war nichts Spöttisches in seinem Grinsen, er freute sich ganz aufrichtig darüber, dass ihm Nahrung wieder zu schmecken schien. Trotzdem wusste Meikel nicht, was er jetzt sagen, auch nicht, ob er ihn reinbitten sollte.
plus

Auteur

Sven Pfizenmaier wurde 1991 geboren. Sein Roman 'Draußen feiern die Leute' wurde mit dem aspekte-Literaturpreis für das beste Debüt des Jahres, dem Kranichsteiner Literaturförderpreis des Deutschen Literaturfonds und dem Literaturpreis der Landeshauptstadt Hannover ausgezeichnet. Sven Pfizenmaier lebt in Berlin.
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